Eldiscreto - der (neue) Vulkan auf El Hierro
Wie bereits im Kapitel über die Geologie der Kanaren beschrieben wurde, sind die sieben Kanarischen Inseln sind vulkanischen Ursprungs. Die Landmassen erheben sich steil aus grosser Meerestiefe (3 km) und am Grund brodelt es ständig. Daher ist es nicht verwunderlich, wenn immer wieder neue vulkanische Tätigkeiten auf und um die sieben Kanarischen Inseln in Erscheinung treten. Aber nur selten gab es in der Vergangenheit sichtbare vulkanologische Erscheinungen grösseren Umfangs. Die letzte Eruption ist auf der kleinsten Kanarischen Insel El Hierro aus dem Jahre 1793 überliefert.
Im Juli 2011 wurden vor El Hierro in etwa einem Kilometer südwestlich von La Restinga submarine Eruptionen festgestellt, die von Erdbeben begleitet wurden. Die Erdbeben nehmen in den folgenden Tagen zu, sowohl an
Anzahl, als auch an Intensität. Die Epizentren lagen zu Beginn im Norden der Insel und erreichten 4,4 auf der Richterskala. Zunächst gab es Ruhephasen, dann verschärfte sich die Situation.
Am 10. Oktober 2011 durchbrach Lava zum ersten mal etwa 3,5 Kilometer vor der Küste und in einer Tiefe von 750 Metern den Meeresgrund. Dieser unterseeische Vulkanausbruch wurde immer intensiver. Damit verbunden gab es zahlreiche kleinere und grössere Erdbeben. Einige erreichten eine Stärke von über 4,5 auf der Richterskala. Ruhephasen und Aktivitäten wechselten sich ständig ab. Im Oktober wurden bis zu 100 Erdbeben täglich gemessen, von denen diejenigen mit einem Wert über 4 auf der Richterskala die Bevölkerung in Besorgnis versetzten. Aus Sicherheitsgründen wurde der für die Infrastruktur El Hierros so wichtige Tunnel von Los Roquillos gesperrt.
Dramatischer war die Situation im Süden der Insel, als südlich von La Restinga heftig zu brodeln begann. Gasblasen und Pyroklasten schossen über die Meeresoberfläche. Tote Fische trieben an der Wasseroberfläche. Vom Satelliten aus war ein Schwefelteppich zu sehen (siehe oben, Foto von der NASA). Das Fischsterben im Bereich des schwefelhaltigem Meerwasser hatte Auswirkungen für die Fischer, die auf die Einnahmen der einst fischreichen Gewässer angewiesen sind. Nicht nur der Fischfang, auch das Tauchen wurde aus Sicherheitsgründen verboten.
Um Gefahr für die Bevölkerung auszuschliessen, wurde das Fischerdorf La Restinga (600 Einwohner und Touristen) evakuiert. Viele von Ihnen wurden in Valverde aufgenommen. La Restinga wurde zu einem Geisterort. Zwar konnten die Menschen nach einigen Tagen wieder zurückkehren, doch diese Evakuierungen mussten danach immer wieder durchgeführt werden. Im Süden El Hierros konnte Schwefelgeruch in der Luft wahrgenommen werden. Die Angst und Unsicherheit der Bevölkerung stieg an, und die wirtschaftlichen Auswirkungen waren dramatisch. Die Bevölkerung musste von der Regierung finanziell unterstützt werden.
Im November 2011 stieg der Kohlenstoffdioxidausstoss an und im Meer breitete sich ein grosser Schwefelteppich aus. Das spanische Forschungsschiff „Ramón Margalef“ konnte mit Echoloten-Messungen den Verlauf der vulkanischen Aktivität in 300 m Wassertiefe mitverfolgen. Dampfsäulen bis 25 m schossen aus dem Wasser und in der einst fischreichen Mar de las Calmas gab es Fischsterben.
Ende Dezember 2011 entdeckten Wissenschaftler, dass der Vulkankegel um 14 Meter abgerutscht ist. Das ist aber nicht verwunderlich, denn diese Erscheinung tritt immer wieder in aktiven vulkanischen Gebieten auf. Im Dezember konnte vom Satelliten aus ein grüner Schleier im Wasser festgestellt werden. Die grüne Farbe resultiert aus Lava-Fragmenten, Gesteinsbrocken, Schwefel und vulkanischen Gasen.
Welchen Namen soll das neue Inselchen haben? Eldiscreto
Bereist Ende 2011 begannen sich die Einwohner El Hierros Gedanken über den Namen der neu entstehenden Insel zu machen. Aber die Angst vor Erdrutsch verminderte die Freude an den vulkanischen Ereignissen auf El Hierro. Erdbeben und vulkanische Aktivitäten können zur Instablisierung der Landmasse und zu gewaltigen Erdrutschen führen. Vor Millionen vor Jahren hat es mehrfach solche Erdrutsche gegeben, als grosse Landmassen einfach im Meer versunken sind mit Tsunamis als Folgeerscheinung. Die Wissenschaftler beobachten weiterhin das Geschehen; bisher konnte eine derartige Instablisierung der Landmasse nicht festgestellt werden. Inzwischen wurde ein Name für die neue Insel gefunden: El Discreto, was übersetzt “der Heimliche” bedeutet.
Vom ersten Ausbruch im Juli 2011 bis Ende Dezember wurden über 10.000 Erdbeben registriert. Diese konnten jedoch zahlreiche Toristen nicht daran hindern die kleinste Insel der Kanaren zu besuchen, um die vulkanische Tätigkeit mit eigenen Augen betrachten zu können.
„Restingolithen“
Im Jahr 2011 entstand ein nues Wort in der Wissenschaft. Die mach der Hafenstadt La Restinga benannten Restingolithen. Es handelt sich um pyroklastische Ausstösse des neuen Vulkans auf El Hierro. Sie zeigen eine chemische Zusammensetzung, die einzigartig auf Welt ist und sind deshalb zu einem begehrten Sammelobjekt, speziell für Museen geworden. Die „Restingolithen“ können im Besucherzentrum von La Restinga bewundert werden. Wer nicht nach El Hierro reisen möchte, der kann sie auch im Natur- und Völkerkundemuseum in Santa Cruz de Tenerife betrachten.
Im Januar 2012 hielt die vulkanische Tätigiet weiter an und Niemand könne sagen wie lange es noch gehen wird.
Im Februar 2012 besuchte das spanische Prinzenpaar El Hierro. Prinz Felipe und Prinzessin Letizia wollte die aktuelle Situation mit eigenen Augen betrachten, Wissenschaftler gaben ihm genauere Erläuterungen. Wichtig war es der Bevölkerung auch eine moralische Unterstützung zu geben und ihnen zu zeigen, dass sie nicht allein sind.
Bis Februar wurden seit dem ersten Ausbruch über 145 Millionen Kubikmeter Magma ausgestossen. Mitte Februar gar gab es noch etwa 12 km unter der Meeresoberfläche Erdbeben der Stärke 2,4 auf der Richterskala. Aber Ende Februar liess die seismische Aktivität deutlich nach.
Nun hat der Vulkan auf El Hierro 7 Monate lang für Schlagzeilen gesorgt. Damit war die vulkanische Tätigkeit auf El Hierro deutlich länger als bei allen anderen kanarischen Nachbarinseln in der jüngsten Vergangenheit. Der letzte Ausbruch auf La Palma (San Juan) im Jahr 1949 dauerte nur 3 Monate. Aber es ist noch zu früh von einer Entwarnung zu sprechen, denn auf Ruhephasen können immer wieder neue Erdbeben und unterseeische Magmaausflüsse folgen.
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